Liebe Bonsaifreunde,
in dieser kleinen Fotoserie zeige ich Euch den Gestaltungsprozess an einem Baum, den ich aus einem Fachgeschäft habe.
Ich finde den schön gewundenen Stamm ganz interessant und habe mir gedacht, daraus eventuell einen Shohin zu gestalten.
Leider läuft der Stamm oben sehr gerade aus, was mir nicht ganz gefällt.
Das kann man aber ändern. Der Baum ist gesund, also sollte eine Grundgestaltung ohne großes Risiko zu machen sein.
Um den Stammverlauf besser betonen zu können, habe ich mich entschlossen, die unteren Äste zu entfernen und Jins daraus zu gestalten.
Mit einer Zange quetsche ich den abgeschnittenen Ast zusammen, entferne die Rinde und/oder ziehe die Rinde vorsichtig nach unten ab. Die Rinde ist im feuchten oder frischen Zustand um einiges leichter zu enfernen!
Hier sollte vorher überlegt werden, wie weit die Rinde abgezogen werden soll, und die Stelle am Schluß mit einem Teppichmesser o.ä. durch Einritzen markiert und damit die Länge der entfernten Rinde begrenzt werden.
Abgeschnittene Äste schmeiße ich nicht weg, sondern versuche, Stecklinge daraus zu ziehen.
Nachdem die untern Äste entfernt waren, wurde ich unschlüssig, wie es weitergehen würde. Das diese Äste weg mußten, wusste ich gleich, aber jetzt war ich am überlegen, welche Seite die Vorderseite werden würde, welche Äste oben noch weg müssten.
Ab ist eben ab! Ich drehte den Baum, kippte, bog Äste in alle Richtungen, ganze 2 Tage lang. Da ich so nicht weiterkam, fing ich an, die wahrscheinlich linke Seite schonmal zu drahten, und dabei entwickelte ich die Idee, die Spitze weiter nach Vorne zu bringen, und damit den geraden Teil oben zu verkürzen. Der Stamm ist da aber ziemlich dick, aber mit dickem Aludraht sollte das zu machen sein.
Wie man am nächsten Bild sieht, habe ich dabei aber einen Fehler begannen. Der Plan war, durch drahten und ziehen – unter Zuhilfenahme des Stumpfes des abgeschnitten Astes – die Spitze neu zu gestalten und zum Betrachter hin zu ziehen.
Die Windungen sind jedoch zu eng gewickelt, und ein dünnerer Draht wurde parallel zum dicken gelegt. Damit nehme ich mir natürlich die Möglichkeit, den Ast nach innen zu biegen, da keine Freifläche zwischen den Drähten vorhanden ist! Dann blockiert sich der Draht natürlich selbst, da die Windungen direkt aufeinander liegen.
Dies wird verhindert, indem man Drähte immer möglichst sehr genau in einem Winkel von 45 ° um die Äste oder Stämme wickelt. Hier ist die Wicklung zu eng. Also: genau – NOCHMAL! Seufz!
Nachdem der Baum erneut gedrahtet wurde habe ich die verbliebenden Äste ausgelichtet, neu gestaltet und positioniert. Da der Draht nun richtig liegt, brauche ich die Spitze auch nicht mehr heranziehen, der Draht hat ausgereicht!
Da dies die allererste Grundgestaltung ist, ist noch viel zu machen und die Feinheiten müssen noch herausgearbeitet werden. Das geht aber erst, nachdem sich der Baum von der bisherigen Prozedur erholt hat, und ich sehe, wie sich die Astpolster entwickeln werden.
Wenn ich ihn später schräg eintopfe, müssen die Äste sowieso nochmal gerade gestellt werden. Den Stumpf lass ich auch erstmal stehen, der kommt, wenn ich ihn zum Draht fixieren nicht mehr brauche, ganz weg.
Die Spitze soll noch weiter nach oben wachsen und noch eine weitere Stufe soll gebildet werden, der Baum also insgesamt ein wenig höher werden. Da freue ich mich schon drauf.
Jetzt muß der Baum erstmal Ruhen und sich erholen. Ich nehme an, der Wacholder wird sogenanntes Stresslaub bilden, wenn er austreibt. Das machen Wacholder, wenn sie zu sehr geärgert werden, sehr gerne.
Stresslaub ist stacheliger als das normale, schuppige Laub. Daran erkennt man auch, ob es dem Baum im Allgemeinen gut geht. Bildet ein Juniperus chinensis ohne weitreichende Gestaltungsmaßnahmen stacheliges Laub aus, sollte man den Gesundheitszustand überprüfen!
Das sieht jetzt am Ende sehr radikal aus, jedoch wird der Baum in der Zukunft an Grün zunehmen und wieder einen gesünderen und volleren Eindruck machen. Ich halte Euch mit aktuellen Bildern auf dem Laufenden!
Viele Grüße
André
Sehr schöne Beschreibung, mich kribbelt es auch langsam wieder in den Fingern was zu machen. Leider komme ich wegen meiner Forschungsarbeiten momentan nicht wirklich dazu… 🙁
@Vincent
danke sehr, war viel Arbeit mit dem kleinen Baum, hoffentlich wird es was 🙂
Ich bin froh, momentan die Zeit zu haben, bald ist das wieder anders.
Viele Grüße, André
@ Andrè
eine sehr schöne und sehr gut beschriebene Gestaltung!
Da ich mit Nadelbäumen bzw. Wacholder null praktische Erfahrung habe, brennen mir ein paar Fragen auf der Zunge.
Wie behandelst du die Äste als Stecklinge? In feuchtes Subrat mit Luftfreuchtigkeit (Minigewächshaus etc…) bis sich neues Laub entwickelt?
Mir scheinen auch auf Grund anderer mir bekannten Gestaltungen die Äste von Wacholderpflanzen auch in forteschritteneren Alter noch recht flexibel bzw. drahtbar zu sein. Zumindest im Vergleich zu vielen Laubbäumen. Auf einen Foto ist ein Tape oder Klebebandbandage unter dem Draht erkennbar. Wann setzt man diesen Schutz ein?
Dein Rohling hat bereits ein gutes Nebari, die Pflanzen bei vielen Online-Händlern sehen meist wie Stecken aus. Gibt es die guten nur, wenn man die vor Ort auswählt?
Warum so viel Frage? Weil ich Shohin mag. Mag am begrenzten Platz auf meinen Balkon liegen. Da spiele ich schon einige Zeit mit dem Gedanken verstärkt auf Shohin zu sezten Allerdings erfordert dies im Sommer auch aufmerksamere Gießzyklen.
Schönen Tag
Bernd
@Bernd
Stecklinge ziehen ist beim Wacholder recht einfach. Ich habe gute Erfahrungen mit Stecklingen von 5-15 cm Größe gemacht. Sogar bei ganzen Ästen habe ich schon gute Endresultate gesehen!
Ich nehme die abgeschnittenen, verholzten Zweige oder kleineren Äste, und mache die unteren 3/4 frei von Grün. Je weniger Grün, umso weniger Wasser kann die Pflanze während der Wurzelbildung verdunsten. Das schützt sie vor´m Austrocknen.
Dann wird die Rinde auf 3/4 der Höhe – von oben nach unten – bis aufs Kambium – mit der Bonsaischere oder einem Messer in schmalem Streifen abgeschabt. Je nach Dicke des Materials geschieht dies einmal, zwei- oder dreimal auf der Längsfäche des späteren Stammes.
Der Steckling muss dann in der gesamten Länge des abgeschabten Bereiches in ein Bonsaigranulat gesteckt und gegossen werden. Also 3/4 in die Erde, 1/4 des restlichen kleinen Büschels guckt noch raus. Nun darf er nicht mehr austrocknen! Nie! Bis er in einem Sommer oder bis zum nächste hoffentlich Wurzeln bekommt! Bei 3/4 der Gesamtlänge hat er aber genug Fläche, das klappt zu ca. 75% 🙂
Und keine direkte Sonneneinstrahlung!
Ich mache mal Fotos, wie ich das mache und schicke Sie Dir mit einer Beschreibung, da kann ich ein kleines Tutorial machen. Mit Bildern ist das bestimmt einfacher zu verstehen.
Da Umwickeln eines Astes dient dem Bruchschutz und dem Schutz der Rinde durch Schaben des Drahtes beim Anbringen. Dies macht man bei sehr dicken Ästen, die schwer zu Biegen sind, oder bei extremen Positionsveränderungen und Biegeradien.
Durch diese Technik bleibt der Druck im Ast überall gleich und vermindert die Gefahr des Brechens. Der Verband drückt von außen wie eine Schiene von allen Seiten gleichzeitig auf den Ast, was die Stabilität immens erhöht. Ich benutze hierfür ein Schweißband aus dem Baumarkt, welches sich beim Umwickeln selbst verschweißt. Angefeuchtetes Raffiabast geht auch.
Äste von Wacholdern sind sehr biegefreundlich, auch ältere Äste; einzige Schwachstellen sind die Übergangstellen, wo Äste oder Zweige entspringen oder sich gabeln, hier reißen sie gerne ein. Ein Wacholder verzeiht das aber i.d.R. durch schnelles Anwachsen wieder.
Irgendwann ist aber auch bei einem Wacholder mal Schluß mit Biegen, hier kann man aber durch Spannen noch ganz gut was machen. Oder durch gezieltes Brechen..
Das mein Baum einen akzeptablen Wurzelansatz hat, liegt daran, das er von Anfang an in China als Bonsairohmaterial kultiviert wurde und schon recht alt ist (glaube ich). Das hat natürlich mit -je nach Größe – 90-150 Euro seinen Preis.
Diese Bäume wurden vom Ladenbesitzer vor schon längerer Zeit aus China importiert. Laut seiner Aussage ist solch gutes Material heutzutage fast gar nicht mehr zu finden. Also lieber persönlich auswählen oder Detailphotos vom Händler schicken lassen! Es sind noch ein paar da, bei Interesse mache ich Detail Photos und schicke sie Dir.
Ach so, klar, je kleiner der Topf, desto mehr muss man gießen, aber morgens und abends müsste reichen, mach ich auch so. Wie das bei Hitze ist, weiss ich aber selbst noch nicht. Das wird der Sommer zeigen.
So, ich beende meinen Roman hier mal…
Bis bald 🙂
André
@Andre:
Du gehst ja ziemlich mutig an
diese Gestaltung heran, aber es ist auch wirklich
sehr gutes Material. Ordentliches Ergebnis!
Bin schon sehr gespannt, wie er in seiner
ausgewählten Schale aussieht. Eine klassische
Gestaltung.
LG Markus
@suiseki
ich hoffe auch, das meine mutige Herangehensweise zu dem Ergebnis führt, welches ich im Kopf habe 🙂
Ich habe die Äste nun noch ein bißchen anders positioniert, so das es ein wenig offener wirkt.
Auf den Bildern hier sieht es auch andes aus als in Natura, ich hätte phototechnisch gerne Bernds Kenntnisse 🙂
Viele Grüße
André
@ Andrè
und ich hätte gerne deine Kenntnisse in Sachen Bonsai 🙂
Ein Foto wird nie einen natürlichen Baum darstellen können. Ich merke das auch bei meine Bäumchen.
Man kann zwar ein Bild zeigen aber die Tiefe fehlt bei einem zweidimensionalen Foto. Und wie der Bonsai in der Tiefe gestaltet ist, macht im Original einen beträchtlichen Eindruck auf den Betrachter. Zumindest bei sehr gut gestalteten Bonsai.
Gruß
Bernd
Hallo wollte mal fragen wie es dem „Bäiäumche. Heute so geht ? 😁