Nicht nur nach Rom führen viele Wege. Auch der Weg zu einem gelungenen Bonsai kann sehr vielfältig sein.
Eine Möglichkeit um zu einem Bonsai zu gelangen ist es ihn aus einem Steckling über zahlreiche Jahre zu einen ansehnlichen Bonsai zu gestalten. Diese Methode erspart gegenüber einer Aussaat je nach Baumart 1-3 Jahre. Ein weiterer Vorteil ist das man die Mutterpflanze oft kennt und so robustes oder pflegeleichtes Genmaterial vermehren kann.
Ja, aber auch Nachteile gibt es. Es dauert natürlich länger als bei einer bereits vorkultivierten mehrjährigen Pflanze. Allerdings kann man bei solch einem Winzling logischweise die eigenen Vorstellungen von Anfang an gezielter umsetzen. Das gewünschte Gestaltungsergebnis kann man bereits sehr gut von Anfang an steuern. Natürlich nur wenn man weiß wie.
In meinem ersten Bonsaisommer vor ein paar Jahren habe ich beim Rückschnitt meiner Ficus microcarpa einige verholzte Stengel für meine erste gezielte Stecklingvermehrung verwendet. Im ersten Versuch folgte ich den Hinweisen der Fachliteratur. Die Stecklinge wurden in ein Torfsandgemsich gesteckt. Feucht angegoßen und in einem Minigewächshaus in Verbindung einer Pflanzenheizmatte kultiviert. Eigentlich hätten sich so neue Wurzeln bilden sollen. Aber dies hat bei mir nicht funktioniert. Alle Stecklinge sind vertrocknet. Wurzeln haben sich keine gebildet.
Nach dem ersten Frust kam mir die Idee es einmal nach der Stecklingmethode meiner verstorbenen Oma zu versuchen. Beim nächsten sommerlichen Gestaltungsschnitt wurden 3 verholzte Stecklinge ausgewählt. Diese wurden in einen mit etwas Wasser gefüllten Joghurtbecher gestellt und verbrachten die nächsten Wochen an einem Nordfenster. Wenn der Wasserstand reduziert war, wurde er wieder etwas aufgefüllt.
Nach etwas 6 sommerlichen Wochen hatten sich zahlreiche junge weiße Wurzeln gebildet! Die Oma-Methode war offenbar wesentlich zuverlässiger als die aus den Fachbüchern! Auf dem nächsten Foto sieht man die zahlreichen Wurzeln.
Anschließend wurde der noch sehr kleine Ficus-Steckling in Substrat gepflanzt. Da Wurzeln zum schnellen Wachstum auch Luft benötigen wählte ich eigentlich mehr Testweise eine Mischung aus Lavalit und etwas Akadama. Lavalit enthält zwar fast keine Nährstoffe. Aber das gebrannte Akadama kann dafür Nährstoffe speichern. Außerdem wurde danach 1-2x am Tag kräftig gegossen.
Die Stecklinge wurden im Spätsommer eingetopft. Bereits im laufenden Winter haben sie sich prächtig entwickelt. Im Frühjahr wurden sie in einen Teichkorb umgetopft. Pfahlwurzeln wurden dabei entfernt. Unter die Wurzel wurde eine Keramikscherbe platziert. So wollte ich versuchen möglichst früh einen flachen und breiten Nebari zu bekommen. Durch kräftiges giessen und düngen entwickelten sich die drei Kleinen über den Sommer prächtig.
Im zweiten Winter war ich dann doch sehr erstaunt. Bei einem Steckling hatten sich sogar Früchte gebildet!
Im Frühjahr wählte ich den mir am interessantesten Steckling aus und topfte ihn in die erste Bonsaischale. Im Sommer legte er ordentlich an Stammdicke zu. Nun nach drei Jahren sieht er bereits einem Bonsi sehr ähnlich.
Noch sieht er recht jung aus. Er hat noch keine markante Struktur. Aber er ist auf einem interessanten Weg. Im kommenden Frühjahr werde ich ihn wieder in einen Teichtopf umtopfen. Dort entwickeln sich Wurzeln und Stamm doch spürbar schneller. Für eine Schale ist er auch für meinen Geschmack noch zu jung. In den nächsten zwei bis drei Jahren will ich gezielt einen breiteren Nebari entwickeln. Dies läßt sich im Teichkorb mit einer Platte unter dem Baum auch besser steuern. Über seine zukünftige Gestaltungsform bin ich mir überhaupt noch nicht im klaren. Aber diese ergibt sich irgendwann. Mal sehen was aus diesem ehemaligen Steckling noch wird?
Hallo Bernd,
ich habe meinen Steckling schon eingepflanzt, er ist jetzt um die 15cm groß. Ich möchte ihn möglichst klein halten und auch gern düngen, da ich noch sehr unerfahren bin weis ich nicht wie ich das genau machen soll. Ab wann kann ich mein Bäumchen kürzen und wo am besten (unten oder oben)? Was wäre am besten in dieser größe zum düngen geeignet?
LG
Greta
Hallo Greta,
in unserer Winterzeit würde ich nicht düngen, da der Baum ohne Zusatzbeleuchtung viel weniger Licht als im Sommer erhält. Erst ab April / Mai bis in den Herbst düngt man, damit er in der Wachstumzeit mit ausreichend Nährstoffen versorgt wird.
Bei der Gestaltung von Jungpflanzen zu einen zukünftigen Bonsai gibt es sehr viele Möglichkeiten.
2 Grundgestaltungsmethoden sind:
1. den Baum solange wachsen lassen, bis der Stamm die gewünschte Dicke hat. Danach kürzer schneiden als der Bonsai später hoch sein soll, da sich ja noch Äste entwickeln sollen. Danach werden die Äste aufgebaut bzw. gestaltet. Das dauert natürlich ein paar Jahre oder Jahrzehnte.
2. den kleinen Baum bereits im Jugendstadium in die gewünschte Form schneiden und drahten. Großer Nachteil: Der Stamm verdickt sich nur sehr langsam und der Baum sieht Jahrzehnte nicht nach alter Baum aus.
3. Eine Variante aus beiden. Man lässt den Baum über den Sommer durchwachsen und schneidet ihn im Spätsommer auf die gewünschte Höhe zurück. In jungen Jahren am besten im Topf mit reichlich Erde, damit er schneller wachsen kann. Sobald der Stamm die gewünschte Dicke erreicht hat, wird der Baum das erste Mal in eine geräumige Bonsaischale gepflanzt. Danach beginnt die Gestaltung der Feinverzweigung. Überflüssige und unpassende Äste werden bei jedem Rückschnitt entfernt. Bei der Ausarbeitung der Feinverzweigung kann man bei schnellwüschigen Laubbäumen auch 2-4x im Jahr einen leichten Rückschnitt oder Formschnitt vornehmen.
LG
Bernd
Wie schaut der Steckling heute aus. Bin auch auf dem weg zum Steckling;-)