Die Geschichte vom hässlichen Entlein begann im fernen… Moment, ich schweife ab…
Vor mehr als einem Jahr, im Januar 2013, fing ich an, diesen vernachlässigten, älteren Burschen unter meine Fittiche zu nehmen.
So wie es schien, war er ein gescheitertes Experiment, vielleicht ein Geburtstagsgeschenk oder ein Erstkauf mit falscher Pflegeanleitung, wenn überhaupt….
Befreit von seinem unwürdigen Dasein auf einer kaum beachteten Fensterbank, danach in der hintersten Ecke meines Lieblingspflanzenladens, fand er den Weg in meine Hand.
Zufrieden über das Alter des Findlings – zu sehen an der rissig werdenden Rinde – begannen die Verhandlungen mit dem Händler über den Preis und das Ringen der Ideen für die Gestaltung, fast gleichzeitig.
So sah das arme Ding aus, nachdem ich die ambulante Behandlung abgeschlossen hatte: Wurzelschnitt, neue Erde, andere Schale, Draht und so…
Ich gehe davon aus, dass er eine typische, wunderschöne S-Form hatte, als er seinen Weg vom fernen Taiwan, über Holland nach Deutschland, zum Erstbesitzer fand.
Die Spitze war abgestorben, so war nur noch das Unterteil für mich übrig. Semikaskade war die Idee. Bot sich ja an. Gesagt getan. Der einzige Ast wurde gedrahtet, eine neue „Spitze“ aufgebaut und der Rest wurde dem natürlichen Lauf der Dinge überlassen.
Eine interessante Bewegung hat das Kerlchen ja, die soll auch entsprechend betont werden. Ich tue mich immer schwer mit der Wahl der Vorderseite.
Aber alles zu seiner Zeit, jetzt war Erholung angesagt. Durchatmen. Genug Licht, weil Platz an der Sonne mit Blick auf direktem Himmel wohltuendes Wasser aus dem nahegelegen Tümpel. Das ließ neue Kräfte erwachen, dazu später mehr.
Auch ein schöner Rücken kann entzücken. Nunja, ich will ja nicht übertreiben.
Mehr gibt es nicht zu sehen über den Urzustand der Feige. Zumindest nicht mehr, da ich noch andere Bilder hatte, die sich aber gedacht haben, im Nirvana meiner Daten verschwinden zu müssen. Schade zwar, aber weg ist weg, was soll´s.
Wichtiger ist, wie der Ficus heute aussieht – und ich war überrascht, als ich die Bilder oben wieder sah. So viel Wachstum in dieser Zeit, neue Äste, damit neue Spitze, glänzendes Laub…
Fiel mir so nicht auf, da ich das Wachstum täglich vor Augen hatte. Wie mit Falten, man sieht erst wie die Zeit an einem nagt, wenn alte Bilder betrachtet werden. Schleichender Prozess. Doch nun wieder zum Baum.
Ich versuch´s mal ein wenig spannender zu machen, von oben nach unten, von links nach rechts.
Das ist die Spitze. man kann guten Gewissens behaupten, es hat sich einiges getan. Viel neues Grün, Äste, wo man sie braucht. Die Blätter sind sehr groß. Er wird schon wissen was er macht. Die werden schon noch kleiner, wenn die Verzweigung feiner wird.
Semi-Vogelperspektive.
Ich überlege gerade, ob das wirklich nur ein Jahr her ist, als ich anfing daran herum zu pfuschen. Schaut Euch den dicken – naja – Ast auf der rechten Seite an. Er hat einen erheblichen Zuwachs bekommen. Sehr dominant. Vielleicht sollte ich Düngertechnisch ein wenig auf Diätprogramm umstellen.
Vielleicht ist das eine spezielle Sorte, gentechnisch verändert. Ich weiß, dass Feigen schnell wachsen, wenn sie richtig pflegt werden… aber so?
Habe auch einige Jungpflanzen und andere Retusa, um die ich mich kümmere, aber die schießen nicht so aus sich heraus. Als hätte er sich alle Kräfte aufgespart, um jetzt richtig loszulegen. Fast schon unheimlich.
Sieht aus dieser Perspektive recht konfus aus. Ist er ja auch. Warum habe ich den Ast so lang gelassen? Ich habe die Angewohnheit, sehr ungeduldig zu zupfen, das heißt, wenn der Austrieb ein Blatt lang ist, gleich ab mit der Spitze.
Nicht so gut für die Verzweigung, ich weiß. Also versuch ich mal, ihn länger zu lassen und schaue, wie sich die Verzweigung entwickelt, wenn ich ihn länger lasse. Sind ja mehr Blattachseln da, müsste besser werden. Mal gucken.
Die Vorderseite. Zumindest ist sie das momentan. Nichts ist endgültig. Ich mag den intensiven Bogen am Stammansatz mit dem Übergang zum ersten Ast. Schöne Bewegung, die weiterhin vom Stamm mit einem Rechtsknick weitergeführt wird, um dann gleich wieder nach links… was erzähl ich da, seht ihr ja selbst. Mir gefällt´s.
Und nun, die obligatorische Vorderansicht.
Da kam mir eine Idee: Was wäre, wenn der rechte Ast einfach soweit gekürzt würde, dass aus der Semikaskade eine frei aufrechte Form entsteht? Das höbe die Stammform hervor und gäbe dem allgemeingültigen Motto „weniger ist mehr“ erneut seine Daseinsberechtigung. Damit ihr wisst was gemeint ist: Ich habe da mal etwas vorbereitet.
Auch nicht übel, wahrscheinlich sogar besser? Glaube schon.
Solange ich nicht sicher bin, bleibt er so wie er ist, er wurde ja schon lange genug geärgert.
Was meint Ihr? So lassen oder auf frei aufrecht setzen?
Diesen Winter gebe ich mir und ihm noch Zeit. Vielleicht habt Ihr ja noch Ideen, die in eine ganz andere Richtung gehen. Lasst es mich wissen. Zum Beispiel die Vorderseite zur Rückseite machen, oder ihn auf einen Felsen setzen, weiter nach rechts kippen, oder, oder, oder…. Momentan ist das hässliche Entlein zwar größer geworden, aber auf dem Weg zum Schwan müssen noch einige Abenteuer erlebt werden. Es bleibt spannend.
Wer mag, kann mich auf Google+ unter Bonsai Online begleiten, dort bin ich recht aktiv und poste auch Themen und Bilder, die für einen Beitrag zu kurz wären. Schaut vorbei.
Ich würde deinen Ficus so lassen und vielleicht leicht schräg auf einen Felsen pflanzen. Das würde dem ganzen ein schön uriges Aussehen geben und das Alter der Pflanze schön betonen.
@ Vincent
tolle Idee. Wie manche Feigenwurzeln in der Tempel-Anlage von Angkor.
http://www.weltwunder-online.de/neuzeit/angkor.htm
Ist aber sicherlich eine Herausforderung, jetzt eine Pflanze noch über einen Felsen zu gestalten.
Das dürfte sicherlich einige Jahre brauchen.
Erhöht aber mit Sicherheit den Charakter des Bonsai.
Schönen Gruß
Bernd
Das ist eine sehr gute Idee, wäre ich gar nicht drauf gekommen 🙂 Solange dauert das auch nicht, da der Topf ja recht tief ist und so schon genügend Wurzeln da sind, um sie um den Felsen zu legen. Kommt auch darauf an, wo er sitzt, großer Felsen ganz oben, mittig, unten oder ob ein kleiner Stein verwendet werden soll. Bei einem Größeren kommt er eben für ein Jahr in einen noch tieferen Topf. Bis die Wurzeln dann dementsprechend aussehen, das dauert bestimmt lange, aber der Ansatz ginge recht flott. Danke fpr den Input, freue mich 🙂
Wenn du die Möglichkeit hast, stell den kleinen am besten bei dauerhaft 70% Luftfeuchtigkeit und Temperaturen zwischen 28 – 32 °C dazu auf. Ich mache das gerade bei meinen Fici, zusätzlich mit einem LED-Lichtpannel und ein paar Energiesparlampen (momentan komme damit auf herrliche 80.000 Lux Beleuchtungsstärke). Ganz abgesehen davon, daß die Blätter natürlich schön sprießen, wachsen bei meinen Fici nun überall am Stamm Luftwurzeln, die langsam ihren weg ins Erdreich bahnen, aber auch Wurzeln aus der Erde selber drücken sich stellenweise aus der Erde nach oben. Ich selber habe so etwas vorher noch nie beobachten können aber freue mich natürlich sehr darüber. Dabei hatte ich die Pflanzen vor nicht einmal einem Monat umgetopft und in Schalen gegeben, welche den fast zehnfachen Platz der damals aktuellen Wurzelmasse besaßen. Alle Pflanzen sind dieses Jahr erst abgemoost worden bzw. Stecklinge von exakt jener Pflanze aus diesem Jahr (!), um einen besseren Wurzelteller zu erhalten. Wenn ich mir die momentane Entwicklung ansehe, würde ich sagen, ein voller Erfolg.
Klingt gut, habe auch ein großes Terrarium hier für Jungpflanzen, mit 2 LED Pflanzenröhren und einer Terrariumlampe, funktioniert bis jetzt ganz gut. Sogar ein Luftbefeuchter ist drin und ein kleiner USB Ventilator. Für akute Pflegefälle sind noch 2 kleine Terrarien da, passt ein Bäumchen rein, wo die Luftfeuchte natürlich höher ist als im großen. Bei den kleinen geht das auch Ruckzuck mit den Luftwurzeln und Stecklingsbewurzelung, da sind immer so 80% Luftfeuchte drin. Toll ist das auch für meine Traubenbeere, die im Winter eigentlich im Kalthaus sein sollte und warme Heizungsluft gar nicht mag. In einem unbeheiztem Raum bei 12-15 °C am Fenster und im Terrariom fühlt sie sich bis jetzt recht wohl im Winter. Würde gerne wissen welche Lampen Du benutzt. Magst Du nicht mal drüber bloggen? 🙂 Würde mich freuen.
Ich bin schon dabei einen Bericht zu verfassen. Wird zusätzlich mit einer kleinen Bauanleitung sein. 😀
@ Vincent
würde mich sehr über deinen Bericht freuen!
Wunderbar 🙂