Gastartikel von Vincent:
Nach nun längerer Zeit der schreiberischen Abstinenz nun endlich einmal wieder ein kleiner Artikel von meiner einer.
Dieses mal über den Einsatz von Pflanzenzelten um vor allem die geliebten tropischen Bonsai sicher über den Winter zu bringen zum einen, zum anderen um bei manchen Pflanzen gezielt die Bildung von Luftwurzeln zu provozieren.
Mit persönlich gefallen viele der tropischen Bonsai, wie etwa die verschiedenen Fici, aber auch Tamarinden (bspw. Tamarindus indica) etc. sehr gut.
Das einzige Problem, welches ich immer wieder hatte, war das starke verkümmern der Pflanzen über den Winter hinweg. Sicher, der als Zimmerpflanze gepflegte Ficus benjamini verliert nicht unbedingt so sehr seinen Charme, wenn er über den Winter hinweg ein paar Blätter verliert, bei einem tropischen Bonsai hingegen sieht dies schon ganz anders aus.
Hier wollen wir ein durchgängig starkes Wachstum haben, mit dichter Belaubung. Im Winter allerdings sind unsere Wohnzimmer, Schlafzimmer oder wo auch immer die Pflanze ihr Dasein fristet eher der langsame Tod. Zu trocken, zu wenig Licht, zu kalt oder zu warm, je nach Heizverhalten, also alles in allem nichts, was das gedeihen anregt.
Nun kann man natürlich den Bonsai auf einem Fensterbrett in der Nähe, nicht aber direkt über, der Heizung stellen, darunter eine mit Wasser gefüllte Schale und das beste hoffen. Dabei haben wir aber nun mehrere Probleme. Zum einen, ist die Beleuchtungsstärke, welche wir hier vorfinden, nicht einmal annähernd stark genug. Vergleichen wir einfach mal. Im Hochsommer zur Mittagszeit auf offener Fläche haben wir bei uns etwa 100000 Lux bei einer Farbtemperatur von etwa 5500 – 6000 Kelvin. Die Farbtemperatur ist hierbei ein Maß, aus welchen Farbspektren sich das Licht hauptsächlich zusammensetzt. So besitzen Lampen mit niedrigen Farbtemperaturen deutlich dominantere Rotanteile, hohe Farbtemperaturen hingegen besitzen dominantere Blauanteile.
Nun wissen wir, daß Pflanzen für die Photosynthese verschiedene Lichtlängenwellen benötigen und diese auch je nachdem, ob wir nun das vegetative Wachstum oder das Wachstum der Blüten fördern wollen auch variieren können. Allgemein für die Photosynthese benötigt werden die Wellenlängen 680 nm und 700 nm. Hiermit werden die Photosysteme der Chloroplasten angeregt, was in der Produktion von Glucose und Sauerstoff endet.
Nun reagieren Pflanzen nicht nur auf die roten Anteile des Lichtspektrums, sondern ebenso auf blaue. Dies zeigt sich besonders während der verschiedenen Wachstumsphasen, so ist während des vegetativen Wachstums eher ein höherer Blauanteil erwünscht (Farbtemperatur 5500 – 6000 Kelvin), hingegen während der Blütephase eher ein höherer Rotanteil gewünscht ist (Farbtemperatur zwischen 2100 – 3000 Kelvin).
Aber gehen wir weiter. Entscheidend ist immerhin nicht nur die Beleuchtungsstärke und Farbtemperatur, sondern ebenso die Beleuchtungszeit, Luftfeuchtigkeit und die Temperaturen. Tropische Pflanzen aus den immerfeuchten Tropen sind allgemein auf Lichtzeiten von 10 – 13 Stunden ausgelegt, eine Luftfeuchtigkeit im Jahresmittel von ca. 80 % und Jahresdurchschnittstemperaturen um die 25 °C, mit um die 30 °C während der warmen Monate und um die 24 °C während der kühlen Monate, bei oben genannter Beleuchtungsstärke.
Nun vergleichen wir das einmal mit unseren Wohnzimmer im Winter. Die Temperaturen liegen hier, wenn eine Heizung dauerhaft eingeschaltet ist, um die 22 °C. Erst einmal nicht so schlimm, Pflanzen haben immerhin auch einen gewissen Toleranzbereich, den sie vertragen, ohne gleich einzugehen. Der Metabolismus wird hierbei einfach ein wenig gedrosselt und die Pflanze wächst entsprechend langsamer.
Kommen wir zum zweiten Faktor, der Luftfeuchtigkeit. Diese liegt, ja nach Lüftverhalten, offener Wasserstellen, wie Zimmerbrunnen etc. zwischen 30 – 60 %. Schon kritischer, vor allem, wenn man bedenkt, daß die meisten Menschen zum einen kaum offene Wasserstellen im Wohnzimmer haben, geschweige denn extrem gerne während des Winters intensiv lüften, da es nun einmal sehr kalt ist, so das bei vielen eher eine Luftfeuchtigkeit um die 40 % herrscht. Hier kann die Toleranz einer Pflanze nicht mehr greifen, da bei einer Luftfeuchtigkeit unter 40 % die Schließzellen oder auch Stoma der Pflanzen zugehen, als Schutzreaktion vor Austrocknung.
Dies hat zur folge, daß kein Wassertransport mehr stattfindet, welcher nun einmal nicht nur vom Wurzeldruck, sondern auch vom Sog der Blätter gesteuert wird. Keine offenen Stoma, kein Sog, kein Wassertransport, keine Photosynthese, kein Wachstum. Nun kann das Ganze auch verhindert werden, indem man unter die Pflanzschale eine größere, wassergefüllte Schale gibt, welche die Luftfeuchtigkeit oben hält. Damit wäre auch das Problem gelöst.
Bleiben also noch die Lichtverhältnisse als entscheidender Faktor. Gehen wir das Schritt für Schritt durch. Im Winter haben wir meist Farbtemperaturen um die 6500 – 7500 Kelvin, ergo ein extrem hoher Blauanteil im Licht. Nicht unbedingt ideal für die Pflanzen, im Vergleich zum Sommer mit 5500 – 6000 Kelvin, ergo, unser Photosyntheseapparat kann schon nicht wirklich ideal arbeiten, was zu einem bereits stark verminderten Wachstum führt.
Dann kommen wir zur Beleuchtungsdauer. Diese liegt während der Herbst/Wintermonate meist zwischen gerade mal 8 – 10 Stunden, wobei die 10 Stunden um Oktober bzw. Februar liegen, hingegen November – Januar eher mit 8,5 Stunden zu rechnen ist. Also auch hier absolut schlecht für die Pflanzen, da sie unter ihrem eigentlichen Minimum leben müssen.
Nun mag man allerdings sagen, daß wir während der Zeit allerdings unsere Lampen eingeschaltet haben, was auch stimmt. Aber schauen wir uns diese mal genauer an. Gut, die Beleuchtungszeit ist hiermit hochgesetzt, auf sagen wir vermutlich immerhin schon 10 – 11 Stunden am Tag, vermutlich sogar etwas länger. Im Tagesmittel dürfte sogar die Farbtemperatur eine Korrektur erfahren, da mit unseren warmweisen Lampen (zwischen 2100 – 3500 Kelvin), der Rotanteil im Licht deutlich erhöht wird. Klingt so weit ganz gut, wäre da nicht die Kleinigkeit der Beleuchtungsstärke. Wie schon oben erwähnt, haben wir in freier Natur im Sommer ca. 100000 Lux. Im Winter hingegen fällt dies schon einmal ganz schnell auf 3500 Lux. Dies gilt für freien Himmel. In der Wohnung hingegen kommt, je nach Einfallwinkel des Lichts, Verglasung etc. gerade mal noch etwa 10 % dieses Lichts an, sprich, etwa 350 Lux.
Selbst bei einer zusätzlichen Wohnzimmerbeleuchtung, welche mit etwa 50 Lux zu verbuchen ist, kommen wir dann auf gerade mal 400 Lux, sprich gerade mal noch 0,4 % der eigentlich idealen Beleuchtungsstärke. Selbst wenn wir alles andere auf die idealen Bedingen trimmen würden, bei so einer Beleuchtungsstärke kann eine Pflanze nicht mehr gedeihen. Selbst wenn wir eine 100W Glühbirne mit 1500 Lumen direkt über den Bonsai anbringen würden, wäre damit die Beleuchtungsstärke auf gerade einmal 1850 Lux erhöht. Immer noch deutlich zu wenig.
Also, was soll man machen?
Ich habe mir dabei mit einem Pflanzenzelt geholfen (siehe Fig. 1). Innerhalb dieses Zelts sind sämtliche Flächen grundlegend weiß, was zu einer wunderbaren Lichtreflexion führt und dadurch den Lichtverlust nicht nur gering hält, sondern sogar noch zu einer Verstärkung der Lichtausbeute beiträgt.
Beleuchtet wird mit vier 23 Watt Energiesparlampen in Tageslichtweiß (5500 Kelvin), sowie einem 80 Watt Pflanzen-Ufo, welches mit LEDs bestückt ist, die ausschließlich im verschiedenen roten und blauen Spektren emittieren, welche im idealen Bereich zum Pflanzenwachstum liegen. Zusätzlich wurden Reflektoren an der Decke des Zelts angebracht, welche eine zusätzliche Erhöhung der Lichtausbeute garantieren.
Hiermit wird eine Beleuchtungsstärke von ca. 80000 Lux erreicht auf einer Fläche von 60 cm * 60 cm im Farbspektrum, welches ideal für das Pflanzenwachstum ist. Die Beleuchtungsdauer liegt bei 12 Stunden täglich. Zum Erhalt der Luftfeuchtigkeit trägt zum einen das Zelt selber bei, immerhin handelt es sich hierbei um einen abgeschlossenen, kleinen Raum, welcher kaum ein entweichen etwaiger Feuchtigkeit erlaubt, zum anderen wurde auf sämtlichen dort drin enthaltenen Pflanzen (siehe Fig. 2) Moos verteilt, welches sei übriges zum Erhalt der Luftfeuchtigkeit beiträgt.
Hiermit erhalte ich eine Luftfeuchtigkeit zwischen 60 – 80% im gesamten Zelt, zwischen 80 – 90 % direkt an den Pflanzen. Zusätzlich wird jeden Tag mehrfach mit Wasser im Zelt gesprüht. Die Temperaturen liegen zwischen 26 – 32 °C und werden ausschließlich durch die Abluft der Lampen erzeugt.
Zum Schutz vor Schimmel wird zum einen mehrfach gelüftet, entweder manuell durch das öffnen des Zelts oder aber durch die innerhalb des Zelts angebrachten Lüfter. Hierzu habe ich zwei alten Computerlüfter in Reihe geschaltet und schräg zueinander versetzt in der unteren und oberen Ecke des Zelts angebracht. Diese werden bei bedarf für ca. eine halbe Stunde eingeschaltet, wodurch auch eine zusätzliche Temperaturkontrolle möglich ist.
Ebenso wurde vorsorglich einmal gegen Pilzbefall und Schädlinge gesprüht. Aktuell werden in diesem Zelt mehrere Stecklinge gepflegt von Ficus retusa, Rhododendrum indicum und Podocarpus macrophyllus. Als Prebonsai hingegen werden drei Ficus retusa und eine Ulmus parvifolia gepflegt. Bei der chinesischen Ulme handelt es sich um ein Experiment. Diese habe ich aus einem Samen voriges Jahr gezogen und möchte nun wissen, ob das Wachstum evtl. noch weiter positiv zu beeinflussen ist über die aktuellen Bedingungen.
Vorstellen möchte ich hierbei allerdings meine drei Ficus restusa. Alle drei sind erst dieses Jahr auf den Weg des Bonsai geschickt worden (siehe Fig. 3).
Der erste ist durch abmoosung entstanden (Fig. 3a) die anderen als Stecklinge von dieser abgemoosten Pflanze (3b und c). Die Pflanzen befinden sich zum Zeitpunkt der Fotos seit knapp einem Monat unter den oben genannten Bedingungen. Gut zu erkennen ist hierbei eine starke Wurzelbildung, sowohl bei der abgemoosten Pflanze (Fig. 4), als auch bei den Stecklingen (Fig. 5).
Welche sich selbst über den Schalenrand erstrecken. Besonders bei der abgemoosten Pflanzen ist bereits eine starke Luftwurzelbildung deutlich erkennbar (Fig. 4d). Durch die starke Wurzelbildung motiviert habe ich einen der Stecklinge genutzt, um eine Felsenpflanzung vorzubereiten. Hierzu habe ich einen tiefen Pflanzenkontainer genutzt und den Ficus direkt über einen stark furchigen Felsen gesetzt.
Anschließend wurde der gesamte Wurzelansatz mit Fels ca. 4 cm Tief unter die Erde gepflanzt (siehe Fig. 6).
Auch hierbei wurde der Boden wieder mit einem Moospolster bedeckt. Seit der Entstehung der Fotos haben sich bereits dutzende neue Wurzeln an sämtlichen Stämmen entwickelt, so wie diverse Blattneuaustriebe. Demnächst plane ich, die Energiesparlampen auch gegen passende LEDs zu ersetzen, weniger wegen mangelnder Qualität der jetzigen Lampen, sondern mehr aufgrund der Stromkosten.
Das Nachbauen eines solchen Gewächshauses ist recht einfach, so lange man ein paar Kleinigkeiten beachtet. Der Korpus darf ruhig aus isolierenden Materialien, wie etwa Pressspan bestehen, so lange dieser gegen Feuchtigkeit versiegelt ist. Ebenso sollten sämtlichen Flächen reflektieren, um die die Lichtausbeute zu maximieren, dies kann schon mit einfacher weißer oder auch Spiegelfolie realisiert werden. Beim anbringen einer Belüftungsanlage gilt es nur zu beachten, daß der Einlass im unteren Bereich liegt, der Auslass hingegen im oberen, so daß auch Zeitgleich ein Wärmeabtransport realisiert werden kann (siehe Fig. 7).
Ebenso sollten die Leuchtmittel möglichst nahe an den Pflanzen angebracht werden, um einen Lichtverlust durch Distanz so minimal wie möglich zu halten.
Bei Verwendung von Energiesparlampen oder LEDs ist hierbei auch keine Verbrennung der Pflanzen zu befürchten, da diese kaum bis gar keine starke Temperaturentwicklung aufweisen.
Kosten für ein Pflanzenzelt:
Pflanzenzelt kostet neu etwa 120€. Ich habe mir das damals gebraucht für 60€ gekauft.
Die Lichtanlage, selber zusammengezimmert kostet knapp 60€ für die Energiesparlampen und das LED-Ufo hat mich knapp 80€ gekostet.
Die Lüfter waren umsonst, da einfach aus alten PCs vom Elektroschrott genommen und zusammengelötet.
Das Thermometer hat mich knapp 1,50€ gekostet und das analoge Hygrometer etwa 3€.
Alles davon bekommt man ganz einfach bei E-Bay bzw. im Baumarkt und Elektrofachhandel.
Ich hoffe, ich konnte euch mit diesem Artikel ein wenig inspirieren und auch noch ein wenig zusätzliches Fachwissen vermitteln.
Bis demnächst, beste Grüße
Vincent
Ich hoffe mal, daß ich euch mit der Fülle des Textes nicht erschlagen habe. Mir fällt jetzt erst richtig auf, welche Ausmaße das Ganze angenommen hat. ^_^
Mich nicht, aber ich habe mir auch Zeit gelesen mit dem Lesen, immer ein Stückchen 🙂 Deswegen ist der Beitrag auch sehr gut, eben weil keine Fragen offen bleiben. Oder doch: Warum habe ich mir die Arbeit gemacht, ein riesen Terrarium in meine Wohnung zu wuchten, wenn es mit einem warscheinlich sehr viel leichteren Pflanzenzelt auch geht ^^ Was kostet denn das im Jahr an Energie? Die kWh interressieren mich… Das sind ja dann 180 Watt ungefähr mit Belüftung pro Zelt, oder? Für die Lumenanzahl geht das, wenn ich daran denke was die anderen Lampen (Natriumdampflampen waren das glaub ich) früher an Energie gebraucht haben ist das ja nix. Soviel wie ien Flachbildschirm in etwa…
Da ich das Zelt nur während der Wintermonate betreibe bzw. letzter Herbstabschnitt ab November und 2/3 Winter, sprich etwa 12 Wochen gerade mal, habe ich eine recht moderate Rechnung von gerade mal 39 € für den Betrieb, ergo auf das Jahr gerechnet käme man gerundet auf etwa 160 €. Relativ gering also. Seit dem Bericht haben sich an meinem Hauptbaum (Fig.4) sogar die ersten Luftwurzeln an den Ästen gezeigt. Mal sehen, wie sich das ganze nun noch enwickeln wird. Schätzungsweise Anfang Februar werde ich meine kleinen Lieblinge dann wieder umstellen, so daß sie ein wenig Zeit haben, sich wieder an die Bedingungen ohne Zelt zu gewöhnen, bis sie etwa April oder Mai wieder auf den Balkon ziehen werden. 🙂
Hallo Vincent,
ich finde den Artikel großartig!
Auch wenn ich mit den meisten Indoors kein Glück habe.
Die werden fast immer von Blattläusen oder Schildläusen befallen.
So auch mein diesjähriger Versuch, ein paar Chili-Pflanzen im Zimmer zu überwintern.
Vor zwei Wochen hatte der erste starken Lausbefall. Alles war mal wieder von den Zuckerausscheidungen verklebt. Die Pflanze habe ich entsorgt.
Vor einer Woche das gleiche bei der zweiten Pflanze. Ebenfalls entsorgt.
Damit ist das Bonchi-Projekt erst einmal gestorben 🙁
Die meisten Sukkulenten sind weniger anfällig, wenn sie im Sommer im Freien stehen.
Toi, toi, toi, ich hoffe das bleibt so 😉
Schönen Gruß
Bernd