Im Juli hat uns Maverick seinen Ficus benjamini vorgestellt.
Der sehr schön gestalte Bonsai war zu dem Zeitpunkt bereits sechs Jahre alt und wurde aus einem Steckling gezogen.
Nach dem Umzug vom Aussenbereich in die Wohnung zickt der Ficus mit Blattverfärbungen und Blattabwurf herum.
Nun fragt sich natürlich Maverick, was er falsch gemacht haben könnte?
Hallo Bernd,
In diesem Winter hat mein Ficus eine Menge Federn, ähh Blätter lassen müssen.
Anscheinend hat er den Umzug vom Freiland auf die Fensterbank nicht verkraftet. Schon nach einer Woche wurden die ersten Blätter gelb. Danach ging es ratz fatz. Alle 2 Tage hab ich eine handvoll vertrocknete Blätter abgelesen.
Dann fingen auch noch die unteren Äste an abzusterben. Das Ganze ging bis etwa Mitte Dezember. Jetzt fängt er aber schon wieder an neu auszutreiben.
Habe keine Ahnung was ich dieses Jahr falsch gemacht habe!? Im letzten Winter hat er am selben Standplatz kaum ein Blatt verloren.Vielleicht Zugluft? Zu warm und zu trocken? Hole ihn dieses Jahr etwas früher rein, damit die Umstellung nicht so krass wird.
Werde jetzt erst mal die vertrockneten Zweige entfernen und die Pflanze umtopfen.
Mal sehen wie er sich macht.Gruß
Mac
Hier also erst einmal ein Foto vom Oktober 2011, bevor Maverick den Ficus in die Wohnung geräumt hat.
Im Vergleich zum Foto aus dem Juli ist er ja prächtig gewachsen und hat auch wesentlich mehr Laub entwickelt.
Nach der Umstellung in die Wohnung sah er im März wie folgt aus:
Nun sieht der Ficus doch sehr mickrig aus. Auf mich macht er einen gerupften Eindruck. Hier noch eine Detailaufnahme:
Was ist passiert?
Antwort von Bernd:
Die meisten Ficus-Arten kommen aus subtropischen Regionen. Dort erhalten sie fast das ganze Jahr 12 Stunden Tageslicht. In unseren Regionen haben wir diese gleichmäßigen Lichtverhältnisse nicht über das ganze Jahr. In Frankfurt am Main haben wir zur Sonnenwende Ende Juni ca. 16 Stunden Tageslicht! Ende Dezember gibt es nur noch 8 Stunden Tageslicht! 50% weniger Licht!
Da wundert es mich nicht wenn manche solcher Pflanzen ihr Laub teilweise verlieren. Dies ist ein natürlicher Schutzmechanismus, damit die Pflanze überlebt.
Wenn die Pflanze weniger Licht bekommt, kann sie weniger Photosynthese betreiben. Wenn sie aber zuviel Laub hat, würde sie ja unnötig Wasser verdunsten und könnte im schlimmsten Fall austrocknen. Gut hier würden wir als Pfleger durch rechtzeitiges Gießen gegensteuern. Dennoch ist der Blattverlust eine Anpassung an die geringeren Lichtverhältnisse.
Der Pfleger meint meist etwas falsch gemacht zu haben.
Da die inneren Blätter noch weniger Licht erhalten, werden diese zu erst nicht mehr versorgt und abgeworfen.
Je nach Pflanzenart und deren Größe werden durch die apikale Dominanz eventuel die untersten Äste unterversorgt und könnten nach Blattverlust vertrocknen.
Für den Baum ist dies nicht schlimm, da er später im Kronenbereich und den Astspitzen neue Blätter austreibt. Für den Bonsaigestalter allerdings, kann dies ein Ärgernis sein, wenn er einen wichtigen Ast verliert und ein Teil seiner bisherigen Gestaltung zunichte gemacht wird.
Wie kann man nun solch einen Blatt- und Astverlust im nächsten Herbst bzw. Winter vermeiden?
Mehr Licht ist die logische Lösung. In unseren Breitegraden ist dies aber nicht immer so einfach zu realisieren.
- Beheiztes Gewächshaus
- Künstliches Licht im Winter im Innenbereich. Dafür gibt es spezielle Pflanzenleuchten, welche vom Spektralbereich auf Pflanzen abgestimmt sind.
- Den Bonsai kleiner halten bzw. im Sommer noch einmal kräftig zurück schneiden. Dadurch würde ein Neuaustrieb folgen und die Laubmasse wäre geringer.
- Im Winter an den hellsten Platz in der Wohnung stellen und einen möglichen Laubverlust als natürliche Reaktion auf die geringere Lichtmenge akzeptieren. Im Frühsommer treibt er ja im Freien wieder kräftig aus.
Umtopfen ist sicherlich ganz gut. Durch neues Substrat schöpft der Baum sicherlich auch neue Energie. Ein kräftiger Rückschnitt? Dadurch würde der Baum zwar kompakter werden und auch wieder im mittleren Bereich neu austreiben. Allerdings würden sicherlich 1-2 Jahre bei der Feinverzweigung verloren gehen.
Ich habe mal in meinem Fotoarchiv gekramt und eine Aufnahme von einem an die 200 Jahre alten Ficus auf Teneriffa im botanischen Garten von Puerto de la Cruz gefunden:
Ein riesiger Baum mit zahlreichen Luftwurzeln. Der Baum war so groß, daß ich selbst mit einen extremen Weitwinkel nicht die Stämme und die Baumkrone auf das Foto bekommen habe!
Meine eigene Erfahrung mit Ficus-Arten ist ähnlich wie die von Maverick. Vor meiner Bonsaizeit hatte ich auch einen Ficus benjamini, den ich im Sommer auf dem Balkon stehen hatten. In dieser Zeit hat er eine schöne dichte und kräftig grüne Belaubung bekommen. Nach dem reinräumen im Herbst hat er auch fast jeden Winter einen Teil seines Laubes verloren und die unteren, vor allem dünneren, Äste sind vertrocknet.
Das gleiche habe ich bei mehreren Ficus benjamini bei der Arbeit erlebt. Allerdings standen diese das ganze Jahr im Großraumbüro und sahen von Jahr zu Jahr kahler aus. Nach dem ich diese einmal stark zurück geschnitten hatte und an einen helleren Platz gestellt hatte, haben sie sich spürbar erholt und neu ausgetrieben. Nun sehen sie wieder hübscher aus. Die Belaubung erreicht aber nie die Dichte wie bei einem sommerlichen Aufenthalt im Freien. Dazu reicht das Licht im Zimmer einfach nicht.
Auch bei meinen ersten Ficus retusus zu meinen Bonsai-Anfängen habe ich die gleichen Erfahrungen gemacht. Blattverlust nach dem reinräumen war da normal. Im sommerlichen Balkonaufenthalt haben sie sich dann erst wieder richtig erholt.
Für mich ist dies normal, da diese Pflanzen in ihrer Heimat gleichmäßigere Licht- und Sonnenverhältnisse gewöhnt sind.
Was meint Ihr zu den Fotos und dem Schreiben von Maverick?
Wie würdet ihr einem Blattverlust im nächsten Winter vorbeugen?
Ein Gedanke: Wenn man den Ficus nicht unbedingt rausstellen muss, kann man ihn auch das ganze Jahr in der Wohnung stehen lassen. Aus gestalterischer Perspektive ist zwar die Entwicklung etwas schwieriger, aber dafür hat man nicht mit so starken Schwankungen zu kämpfen, weil die Pflanze sich nicht an so extrem unterschiedliche Lichtverhältnisse anpassen muss. Ich hatte bei meinem Retusa, der immer in der Wohnung stand, nie solche extremen Probleme – trotz zweitweise relativ schlechter Pflege.
@ Matthias
Ganzjährig in der Wohnung wird er das ganze Jahr relativ schwach belaubt bleiben.
Zudem bekommt er meist längere Internodien und auch größere Blätter als bei vollem Sonnenlicht. Also genau das Gegenteil das man als Bonsaigestalter an einer Pflanze möchte.
MFG
Bernd
…smile… 🙂 Das war ja auch genau mein Problem.
Eine Alternative wäre wohl noch, dem Baum im Herbst einen gezielten Blattschnitt zu verpassen, damit er schon einmal ein bisschen Grünzeug wenig versorgen muss. Das Dumme ist nur, dass der Ficus dann im Winter austreibt – mit genau den von Dir beschriebenen Problemen.
Also doch am besten die Lampe, oder?
Habe grad gelesen, dass einige Ficus-Arten empfindlich auf Zugluft reagieren. Nach der Umstellung hatte ich Probleme mit Schimmel auf dem Substrat einiger Pflanzen, und deshalb einige Tage das Fenster offen.
Den Tipp mit der Lampe werde ich auf jeden Fall umsetzen.
Gruß
Mac
@ Matthias
Ja, der Neuaustrieb hätte dann, auf Grund der geringeren Lichtmenge längere Internodien. Zudem würden weniger neue Blätter austreiben, wodurch diese größer sein könnten.
Beim Neuaustrieb in Sommer in der Sonne ist der Austrieb zahlreicher und die Blattgröße meist kleiner.
@ Maverick
Eine Pflanzenlampe wäre da wohl die beste Lösung. Diese muß ja nicht 12h eingeschaltet sein. Wenn der Baum hell steht kann man mit der Lampe den Zeitraum des Tageslichtes ergänzen. Mit einem Timer dazwischen braucht man dies nur einmal einstellen und danach läuft es von alleine ab.
Dies mache ich manchmal, wenn ich Kakteensamen im Winter aussäe. So verlängere ich mit ein paar Stunden Zusatzlicht die Lichtdauer auf 10-12 h am Tag.
Einziger Nachteil sind die Stomkosten.
MFG
Bernd